Der Mittelpunkt der Welt
Die zweite Lesung der
heutigen Messfeier (1 Kor 11,23-26) ist ein wertvoller Schlüssel zum
Verständnis der Bedeutung unseres Festes.
In ihr erklärt der
heilige Paulus zunächst, dass die von ihm überlieferte eucharistische Lehre vom
Herrn empfangen worden ist. „Herr“ ist der Titel des auferstandenen
Christus: Die Eucharistie gehört zur Welt der Auferstehung. Paradoxerweise ist
sie aber auch das Sakrament des Todes Christi: Sie lässt sich nicht trennen von
der Erinnerung an die Nacht, in der er ausgeliefert wurde.
Die Einsetzung der
Eucharistie ist im Zeichen des Brotes und des Kelches und in den Worten, die
sie begründet und auslegt:
„Das ist mein
Leib für euch…das ist der Neue Bund in meinem Blut.”
Der Neue Bund ist das
Reich, das aus der Hingabe Jesu geboren wurde. Die Eucharistie präsentiert sich
klar als geheimnisvolle, aber reale Vorwegnahme des Kreuzesopfers. Es ist die
Gegenwart des einen Opfers Christi zu allen Zeiten und an allen Orten durch das
sakramentale „Gedächtnis“ davon, das in der Kirche und durch die Kirche
geschieht.
Das Opfer Christi am
Kreuz rekapituliert in sich die gesamte Geschichte der Opfer, vom Ursprung der
Welt bis hin zu den Opfern im Tempel von Jerusalem. Daher drückt die
Eucharistie alle Opfer der Menschheit auf der Suche nach Gott und alle Opfer
des Volkes Israel aus und bringt sie zur Vollendung.
Die Worte des römischen
Messkanons bringen dies wunderbar zum Ausdruck: „Blicke versöhnt und gütig (auf
diese Opfergabe) nieder und nimm sie an wie einst die Gaben deines gerechten
Dieners Abel, wie das Opfer unseres Vaters Abraham, wie die heilige Gabe, das
reine Opfer deines Hohenpriesters Melchisedek.“ Die Eucharistie rekapituliert
die erste religiöse Geste der Menschheit (Abel), das religiöse Opfer aller
Völker (Melchisedek, vom dem die erste Lesung [Gen 14,18-20] berichtet) und das
Opfer Abrahams.
So umfasst die Feier
des Opfers Christi alle Dimensionen der Zeit und der Geschichte und bildet den
Mittelpunkt der Welt. Deshalb sagt Paulus:
Sooft ihr von
diesem Brot esst und aus dem Kelch trinkt, verkündet ihr den Tod des Herrn, bis
er kommt.
Die Kirche feiert die
Eucharistie in der Zeitspanne zwischen dem Tod des Herrn und seiner glorreichen
Wiederkunft, zwischen dem Letzten Abendmahl und dem ewigen Mahl. Die
Eucharistie ist zugleich Erinnerung, Gegenwart und Erwartung. Frohe Erinnerung
an das, was der Herr für unser Heil getan hat, Freude über die reale Gegenwart
des auferstandenen Christus unter uns, freudige Erwartung seiner Wiederkunft.
Daher ist es sehr
richtig, dass wir in unseren Eucharistiefeiern die festliche Dimension der
Freude betonen. Doch es wäre gravierend falsch, diese Freude zu banalisieren
und das eucharistische Mysterium in eine Party zu verwandeln.
Wie ein alter
liturgischer Text sagt: „Sooft dieses Opfer als Gedächtnis gefeiert wird, zeigt
sich das Werk unserer Erlösung.“ [i] Wir stehen vor einem grandiosen Sakrament, in
welchem in der Welt das Geheimnis des universalen Heils in seinem Geschehen
erscheint. Mysterium tremendum, sagten die Alten, ein Geheimnis von erschreckender
Größe. In der Demut des Sakraments begegnet Christus der Kirche in jenem
majestätischen Augenblick, in dem das Wirken Gottes, der erschafft und heiligt,
seinen Höhepunkt erreicht, in dem die Welt der Sünde stirbt, in dem das
endgültige Heil ersteht und sich die Welt der Ewigkeit entfaltet. Deshalb
jubelt ihm die Kirche zu: „Heilig! Heilig! Heilig!“.
Dieses Geheimnis von erschreckender
Größe ist zugleich jenes der Freude der Kirche, ihrer unerschütterlichen
Gewissheit. Alles wird uns angeboten: die Überwindung unserer Mittelmäßigkeit
und unserer Spaltungen, der Sieg über die Versuchungen und die Vergebung der
Sünden, der Triumph der Liebe und das Lebens, das den Tod verschlingt. Nur die
Angst bleibt, dass unsere Oberflächlichkeit die Dankbarkeit verdunkelt und dass
sie die Annahme des unendlichen Heils zu kümmerlich sein lässt.
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