Die Kraft des Geistes
Pfingsten – C
Das Pfingstfest ist eine echte Prüfung für unseren Glauben. Ich will sagen: für den Glauben der Hirten der Kirche, der Ordensleute, der praktizierenden Christen. Oft hören wir in unserem Umfeld ängstliches, hoffnungsloses und damit letztendlich atheistisches Reden. Es heißt, die Welt sei zu zerstreut, um vom Wort des Evangeliums erreicht zu werden; die jungen Menschen seien zu sehr mit ihren Handys beschäftigt, um sich ernsthaft Fragen zu stellen; die Oberflächlichkeit greife um sich, niemand schenke unserer Verkündigung Beachtung, wir selbst seien nur wenige und unvorbereitet ...
Das sind alles Gedanken, die sicherlich einen realistischen Hintergrund haben: Sie erkennen die schwierige Lage der Menschen und der Kirche in einer von Sünde geprägten Welt an. Aber es sind atheistische Gedanken, weil sie die Kraft des Heiligen Geistes verkennen.
Der Heilige Geist ist die Frucht von Ostern. Jesus war jenes Weizenkorn, das - nachdem es in die Erde gefallen war – gestorben ist. Gerade deshalb verteilt er jetzt die Frucht seiner Auferstehung in Fülle. Niemand ist realistischer als unser Herr, wenn es um die Realität der Sünde geht und um die menschliche Unfähigkeit, in Liebe und Wahrheit zu leben. Doch in diese Welt der Sünde hat der Herr die Erlösung gebracht, und der Heilige Geist ist Erlösung: Wir können auf Ihn zählen!
Wir wissen, dass es uns schwerfällt, die Person des Heiligen Geistes zu verstehen, weil wir uns kein Bild von ihm machen
können – und wir sollten es auch gar nicht versuchen. Aber die erste Lesung hilft uns, in das Geheimnis einzudringen, indem sie sein Wirken anhand von zwei Zeichen zeigt.
Das erste Zeichen ist ein Getöse, ein lautes Geräusch, das vom Himmel kommt. Und es ist ein ganz besonderes Geräusch: wie das Brausen eines heftigen Sturmes. Der Heilige Geist macht nicht immer Lärm. Elija zum Beispiel begegnet dem Herrn in einem „sanften, leisen Säuseln“, in der „Stimme einer hauchzarten Stille“i (1 Kön 19,12). Aber „nicht immer“ bedeutet nicht „nie“. Manchmal beschließt der Geist, Lärm zu machen, und dann haben wir kein Recht, uns in ein ideologisches, ästhetisches oder bequemes Schweigen zu verschließen. Der Heilige Geist ist wie ein Wind, der „weht, wo er will; du hörst sein Brausen, weißt aber nicht, woher er kommt und wohin er geht“ (Joh 3,8): Wir müssen offen und bereit sein für seine Freiheit.
Das zweite Zeichen sind „Zungen wie von Feuer“. Die Zunge erinnert an die Sprache, an das Sprechen; das Feuer vermittelt ein Bild von Energie, die auflodert und ansteckt. Dieses Zeichen scheint die Idee eines feurigen Sprechens, einer brennenden Rede zu suggerieren. Der heilige Ignatius von Loyola sagte, wenn er die Seinen in Mission schickte: „Geht und entflammt die Welt“. Die Feuerzungen, so die Apostelgeschichte, „verteilten sich und auf jeden von ihnen ließ sich eine nieder“: ein einziges Feuer, das – wie es im österlichen Exsultet gesungen wird – „in die Runde verteilt, nichts von der Kraft seines Glanzes verliert“. Wer den Heiligen Geist empfängt, wird zu einem Feuer, das andere Feuer entzündet. Das Problem ist, dass wir Gefahr laufen, die lebendige Flamme des Geistes durch unsere
eigenen Artefakte zu ersetzen, ähnlich wie wir mancherorts die Flamme der liturgischen Lampen durch diese hässlichen elektrischen Lämpchen ersetzt haben – und mit einer elektrischen Kerze entzündet man nichts!
Angesichts einer Welt, die das Evangelium abzulehnen scheint, liegt es nahe, nach menschlichen Mitteln und Methoden zu suchen, die uns bei unserer Mission helfen können. Das können wir tun und bis zu einem gewissen Grad müssen wir es auch. Aber im Bewusstsein, dass ohne die Kraft des Heiligen Geistes, „ohne sein lebendig Wehn“ im Menschen „nichts bestehen kann, nichts heil noch gesund sein kann“, wie es in der Pfingstsequenz heißt.
Nutzen wir auch die Ressourcen, die uns die menschliche Wissenschaft und Technik zur Verfügung stellt, aber erwarten wir keinen Erfolg von ihnen, denn wir können und dürfen nicht „auf das Fleisch“ vertrauen (um die Worte des heiligen Paulus zu verwenden). Und dies aus demselben Grund, warum wir uns vor unserer Schwäche und der Feindseligkeit der Welt keine Angst haben dürfen und sollen. Die zweite Lesung sagt es uns deutlich (Röm 8,8-17):
„Ihr habt nicht einen Geist der Knechtschaft empfangen, sodass ihr immer noch Furcht haben müsstet, sondern ihr habt den Geist der Kindschaft empfangen, in dem wir rufen: Abba, Vater!“
i So würde man den hebräischen Ausdruck qol demamah daqqah übersetzen.
Kommentare
Kommentar veröffentlichen