Ganz das Leben wählen
Im heutigen Evangelium
(Mk 9,38-48) erklingt mehrfach das Wort „Ärgernis“. Im Alltagsgebrauch drückt
dieser Begriff eine Reaktion der Empörung und des Protests aus gegen
Situationen oder Ereignisse, die als untragbar empfunden werden. Aber die
evangelische Bedeutung ist eine andere: Im griechischen Originaltext des
Evangeliums wird das Wort „skandalon“ verwendet. „Skandalon“ bedeutet ein
Hindernis, einen Stolperstein - die Ursache dafür, dass jemand, der am Gehen
ist, strauchelt und hinfällt.
Für diejenigen, die auf
dem Weg Christi gehen, lauert immer die Gefahr des Skandalon, des Ärgernisses:
Manchmal kommt es von anderen, manchmal von uns selbst.
Die Worte des Herrn
sind sehr ernst. Vor allem:
Wer einem von diesen Kleinen, die an mich glauben, Ärgernis gibt, für den wäre es besser, wenn er mit einem Mühlstein um den Hals ins Meer geworfen würde.
In einer Kirche, in der
es Gott sei Dank nicht an Heiligen, Bekennern und Märtyrern fehlt, gibt es
immer auch Verräter und – wie ein Sprichwort sagt – ein Baum, der fällt, macht
mehr Lärm als ein Wald, der wächst. Ein Prediger, der nicht die gesunde Lehre
verkündet, sondern den Wünschen der Welt gefällig sein will, sorgt für Ärgernis
(vgl. 2 Tim 4,3-4), das unmoralische Verhalten einiger Priester, die Verdorbenheit
mancher Christen, das Doppelleben einiger Ordensleute sind ein Skandalon...
Die Worte des
Evangeliums warnen uns: Christus gegenüber müssen wir eine Entscheidung
treffen, die absolut verpflichtet und in der keine Abstufungen möglich sind.
Man nimmt ihn an oder man lehnt ihn ab: „Wer nicht für mich ist, der ist gegen
mich“ (Mt 12,30). Man muss sich entscheiden.
Der Herr respektiert
jede Entscheidung, aber den Kompromiss akzeptiert er nicht. Im Buch der
Offenbarung (3,15-16) sagt er: „Wärest du doch kalt oder heiß! Weil du aber lau bist,
weder heiß noch kalt, will ich dich aus meinem Mund ausspeien“.
Warum ist es so
wichtig, sich zu entscheiden, auf welcher Seite man stehen will? Weil es darum
geht, ins Leben einzugehen oder davon ausgeschlossen zu werden.
In der Theorie haben
sich viele von uns für Christus entschieden: Wir sind getauft, wohl auch
gefirmt, wir gehen zur Messe, wir bekennen uns zu unserem Glauben… Jedoch kann
es vorkommen, dass wir gleichzeitig auch weiter an unserer Sünde hängen, die vielleicht
der Stolz ist oder Habgier oder Unreinheit oder Egoismus oder jene Faulheit,
die darin besteht, das geistliche Leben, das Gebet und die Sakramente zu
vernachlässigen... Wir wissen, dass diese Dinge ein Hindernis sind, sie sind „ein
Ärgernis“ für uns selbst, sie bringen uns dazu, zu fallen… und doch tolerieren
wir sie.
Aber wenn du eine
Nekrose an einem Fuß hättest und du hättest die Wahl: den Fuß amputieren oder
sterben, was würdest du wählen? Sicherlich ist die Amputation besser als der
Tod, auch wenn sie schmerzhaft ist. Jesus sagt genau das im heutigen
Evangelium: Es ist besser für dich, verstümmelt, lahm oder einäugig ins Leben
zu gelangen, als unversehrt in die Hölle geworfen zu werden. Es ist besser, den
eigenen Stolz, die Gier, die Suche nach egoistischem Vergnügen, die Faulheit,
die Nachlässigkeit zu opfern… und im Gegenzug das Leben zu haben!
Dieser Gedanke darf uns
nicht in die Irre führen und uns glauben lassen, das Christentum sei Schmerz
und Leid: alles andere! Das wahre Leid ist die Sünde: Stolz, Habgier,
Lasterhaftigkeit, Entfernung von Gott…sie lassen uns traurig werden, sie
bringen uns zum Verzweifeln, sie machen uns zu Sklaven. Nicht zufällig nennt
Jesus die Hölle „Gehenna“; das war eine Müllhalde, auf der die Abfälle
verbrannt wurden.
Müssen wir auf etwas verzichten, um Jesus nachzufolgen? Ja, auf den Müll, den wir in uns tragen. Was werden wir im Gegenzug bekommen? Die Freude Christi, die bereits jetzt beginnt und ewig dauern wird.
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